Erste Evidenz für Streuung von W-Bosonen

Als erstes Experiment weltweit hat ATLAS die elektroschwache W± W± jj Produktion beobachtet, die vom Streuprozess gleich geladener W-Bosonen W± W± → W± W± dominiert wird. Mit einer Signifikanz von mehr als drei Standardabweichungen ist dies damit auch die erste Beobachtung eines Prozesses, der die vom Standardmodell vorhergesagte direkte Kopplung von vier Eichbosonen (γ, W oder Z) in einem einzigen Vertex beinhaltet. Die über die Zerfälle der W-Bosonen in Elektronen und Myonen gemessene Reaktionsrate stimmt sehr gut mit der Standardmodellvorhersage überein. Mit 18 beobachteten Streuereignissen, entsprechend einem Wirkungsquerschnitt von ungefähr 1 fb, ist dieser Prozess noch wesentlich seltener als die Rate der bisher beobachteten Higgs-Boson-Zerfälle in ATLAS.

Ein Kandidat für W±W± → W±W± Streuung im ATLAS Experiment

Die Analyse wurde vor zwei Jahren als deutsch-amerikanische Initiative ins Leben gerufen, wobei Mitarbeiter/innen des Institus für Kern- und Teilchenphysik der TU Dresden als größte beteiligte ATLAS-Arbeitsgruppe erfolgreich mit Kolleg/inn/en, insbesondere aus Berkeley, Michigan und Brookhaven, zusammenarbeiteten. Unentbehrlich war dabei auch die Unterstützung durch mehrere von deutschen Theoretikern entwickelten Monte-Carlo-Ereignisgeneratoren.
Die Messung der W-Boson-Streuung war eine der Hauptmotivationen zum Bau des Large Hadron Colliders am CERN und wird für die ab 2015 erwartete Datennahme bei höherer Schwerpunktsenergie eine zentrale Rolle spielen. Dieser Streuprozess wird durch die Anwesenheit des Higgs-Bosons beeinflußt, das nach Vorhersage des Standardmodells die Streuwahrscheinlichkeit so vermindert, dass die Theorie konsistent bleibt. Mit den LHC-Daten bei einer Schwerpunktsenergie von 13 TeV werden sich in der Zukunft so neue Aussagen über die Eigenschaften des Higgs-Bosons machen lassen. Denn viele Fragen sind noch zu klären: Ist das Higgs-Teilchen elementar oder ist es ein aus anderen Bausteinen zusammengesetztes Teilchen? Ist es das Higgs-Teilchen des Standardmodells oder gibt es noch weitere, schwerere Higgs-artige Teilchen, wie sie zum Beispiel die Theorie der Supersymmetrie vorhergesagt? All das könnte einen messbaren Einfluss auf den Streuprozess von massiven Eichbosonen haben.
Die Ergebnisse der Analyse der ATLAS-Daten bei einer Schwerpunktsenergie von 8 TeV wurden Ende März in einem Konferenzbericht ATLAS-CONF-2014-013 (http://cds.cern.ch/record/1690282) öffentlich gemacht und auf der Konferenz “Rencontres de Moriond – QCD and High Energy Interactions” sowie bei der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Mainz vorgestellt.
 
An der Analyse waren die folgenden Diplomanden, Doktoranden und Postdoktoranden aus Deutschland beteiligt:
Philipp Anger1, Christian Gumpert1, Constanze Hasterok1* , Ulrike Schnoor1, Felix Socher1, Anja Vest1.
 
1 Technische Universität Dresden, Institut für Kern und Teilchenphysik
1* jetzt: Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg

 

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