Starke Anzeichen für Higgs-Teilchen am CERN

Die beiden großen Teilchenphysik-Experimente ATLAS und CMS haben heute am europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf ihre neusten Ergebnisse zur Suche nach dem Higgs-Teilchen vorgestellt.

Bei einer Masse von etwa 126 GeV/c² (Giga-Elektronvolt) sehen beide Experimente in den Messdaten deutliche Anzeichen für ein neues Teilchen, das das lange gesuchte Higgs-Teilchen sein könnte. Die beobachteten Daten können nicht durch Fluktuationen des Untergrunds erklärt werden. Die entsprechende Wahrschein­lichkeit ist kleiner als 1 zu 1 Million. Das gefundene Teilchen wird im ATLAS-Experiment über Zerfälle in zwei Photonen und zwei Z-Bosonen nachgewiesen. Manches spricht dafür, dass es sich um das Higgs-Teilchen (s. Zusatzinformation) handelt. Weitere Messdaten und Untersuchungen sind notwendig, um zu entscheiden, ob es sich um das Higgs-Teilchen des Standardmodells handelt, oder ob man gar etwas gänzlich Unerwartetem auf der Spur ist. Beides wären große Entdeckungen.

Die im ATLAS-Experiment arbeitenden deutschen Physiker haben an dieser Entdeckung maßgeblichen Anteil. Am ATLAS-Experiment sind etwa 400 Wissenschaftler aus 13 Universitäten, dem DESY (mit Standorten in Hamburg und Zeuthen) sowie dem Max-Planck-Institut für Physik in München beteiligt. Die Universitäten werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über die sog. Verbund­forschung finanziert und die Aktivitäten sind in dem BMBF-Forschungsschwerpunkt FSP-101 (ATLAS) zusammengefasst. Die deutschen Gruppen waren an der Konzeption, dem Bau und an der Inbetriebnahme des Detektors an vielen Stellen federführend beteiligt. Wichtige Detektortechnologien wurden in Deutschland entwickelt und wichtige Detektorkomponenten gebaut. Hierzu zählen hochauflösende Siliziumdetektoren, um die Bahnen elektrisch geladener Teilchen zu rekonstruieren (Bonn, Dortmund, Freiburg, Göttingen, MPI München, Siegen und Wuppertal), Kalorimeter zur Energiemessung der Teilchen (Dresden, Mainz, MPI München, Wuppertal), Detektoren zum Nachweis von Myonen (Freiburg, LMU München, MPI München, Würzburg). Darüber hinaus haben die Institute wesentlich zur Entwicklung und zum Bau des Trigger- und Datennahmesystems beigetragen (HU Berlin, DESY, Heidelberg, Mainz). Alle diese Komponenten waren für die gemachte Beobachtung von grundlegender Bedeutung.

Die deutschen ATLAS-Institute haben auch einen großen Beitrag bei der Prozes­sierung und Bereitstellung der enormen Datenmenge, die von ATLAS aufgenommen wurde, geleistet. Als Teil des weltweiten GRID-Computings werden signifikante Ressourcen bereitgestellt. Neben dem Hauptrechenzentrum (Tier-1) am KIT in Karlsruhe werden vom DESY, dem MPI München und von den Universitäten Freiburg, Göttingen, LMU München und Wuppertal weitere GRID-Computerzentren (Tier-2) betrieben.

Seit Beginn der Datennahme liegt der Schwerpunkt der deutschen Aktivitäten auf der Datenanalyse. Auch hierzu lieferten deutsche Gruppen wichtige Beiträge, z.B. zur Rekonstruktion von Elektronen, Myonen, Tau-Leptonen und b-Quarks, die essentiell für den Nachweis des Higgs-Teilchens sind.

Deutsche Forscher sind seit vielen Jahren an der Suche des Higgs-Teilchens maßgeblich beteiligt und leiten entsprechende Arbeitsgruppen. Die deutschen Gruppen analysieren viele verschiedene Endzustände (H→gg, H→ZZ, H→WW, H→tt und H→bb), die für die Vermessung der Eigenschaften des gefundenen Teilchens relevant sind. Damit sind die deutschen ATLAS-Forscher hervorragend positioniert, mit Hilfe weiterer Messdaten, die Natur des neuen Teilchens aufzuklären.

Standardmodell und Higgs-Teilchen

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Physiker ein Modell entwickelt, das die Bausteine der Materie und ihre Kräfte hervorragend beschreibt. Es wird heute das Standardmodel der Teilchenphysik genannt. Allerdings hat dieses Modell eine : Die Austauschteilchen, die die Kräfte vermitteln, wie z.B. das Photon, müssen masselos sein. Doch Experimente zeigen eindeutig, dass die Austauschteilchen der schwachen Kraft dies widerlegen. Um diesen Widerspruch aufzulösen führte Peter Higgs und andere 1964 ein neues Feld, das heute als Higgs-Feld bezeichnet wird, ein, welches das ganze Universum durchdringt und den Teilchen ihre Masse verleihen soll. Nach dem mit dem Higgs-Feld verbundenen Teilchen, dem Higgs-Boson, wird seither intensiv gesucht.

 



 
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